27.06.2014
Wir sind unterwegs im Baltikum: Von Riga ist es keine übermäßig lange Strecke bis zur Grenze nach Litauen. Von den drei baltischen Ländern ist uns Estland am sympathischsten … auch wenn das natürlich alles andere als ein fundiertes Urteil ist. Lettland und Litauen fühlen sich für uns noch etwas „Russian“ an, was die Gesichter und Gebäude angeht. Die Landschaft ist so ähnlich, wie wir sie uns vorgestellt haben: weit, flach, Wälder und(!) Felder, selten Dörfer und wenn, dann eher trist und grau wirkend.
Kurz vor der Grenze hält Bernd ein paar Mal an: Die estnischen Münzen sind noch einzutauschen. Stephan kommt schließlich nach geraumer Zeit wieder aus dem Laden: Die Inhaberin hat vermutlich nicht verstanden, was wir vorhaben, aber sie ist sicherlich überzeugt davon, dass wir ziemlich bescheuert sein müssen. Immerhin wird aus dem 5-Cent-Stück eine Schachtel Streichhölzer und sie gibt noch eine 1-Cent-Münze dazu, bevor sie sich wieder kopfschüttelnd ihrem Kreuzworträtsel zuwendet.
In Litauen basteln wir ein Kreuz und stellen es am „Kryzu kalnas“, dem „hill of crosses“ (so ist es im Roadbook beschrieben) auf. Es ist ein merkwürdiger, mystisch anmutender er Ort. Ein Hügel mit ungezählten Kreuzen. Eindrücklich und sehr merkwürdig zugleich – offenbar war es anfangs eine (Toten-)Gedenkstätte in Litauen, die die (damals) russischen „Bestimmer“ nicht tolerieren wollten, sondern immer wieder abgeräumt haben. Und wie so oft: „Dann erst recht …“ wurde daraus ein besonderer Ort – und mittlerweile finden sich dort Kreuze von Gruppen (etwa einer Kolpingfamilie aus Deutschland), die sich ausdrücklich vornehmen, dort ein Kreuz aufzustellen …
Auf dem Weg danach wird uns bewusst: Das war der letzte „task of the day“. Morgen gilt es, das Roadbook mit unseren Fotos aufzupeppen und am Sonntag ist der entscheidende task: Ins Ziel fahren. Tja, die Reise neigt sich dem Ende zu, auch wenn wir mitten im Baltikum zugleich noch weit weg von zuhause sind.
Die Gedanken gehen zurück in die letzten Tage: Es sind so viele kleine Einzelheiten, die nicht verloren gehen sollten … nicht nur die sensationelle Motorhaube aus Rigips (farbig gestrichen!), die wir in St. Petersburg gesehen haben (aber leider war keine Fotoapparat zur Hand). Doch vieles wird sich nicht in Worte fassen lassen.
Hier im Baltikum haben wir den Eindruck: Die Europäische Union bewirkt etwas – nicht nur weil die Straßen die besten waren, an deren Rändern Schilder darauf hinweisen, dass sie mit EU-Unterstützung gebaut wurden.
Die Entscheidung, über Kaliningrad (früher: „Königsberg“ – u.a. Immanuel Kants Heimatstadt) zu fahren, beschert uns weitere Grenz-Erfahrungen.
Einreise nach Russland, Ausreise aus Russland und Einreise nach Polen.
Bei der Einreise nach Russland, unserer zweiten, wissen wir jetzt, dass wir etwas zu verzollen haben, wenn wir mit einem eigenen Auto einreisen. Das Formular ist praktischerweise dasselbe wie neulich, das können wir direkt abschreiben (aber natürlich in zweifacher Ausfertigung). Bis es soweit ist, dauert es.
Da sieben Rallyeautos hintereinander an dem Grenzposten vorgefahren sind, werden die Beamten darauf aufmerksam …. Und machen unserem Eindruck nach dann alles besonders gründlich. Dass wir während der Warterei neben den jeweiligen Autos stehen und zum Teil miteinander reden, untergräbt offenbar ihre Autorität und konfrontiert die Grenzer mit zu viel Anarchie. Also befehlen sie uns, dass wir im Auto zu warten haben.
Nach 40 Minuten ist die Prozedur vorüber. Wir sind sozusagen „Back in USSR“. Die Ausreise ist ebenfalls eher zäh und als wir wieder draußen sind, geben wir uns der Hoffnung hin, dass die Einreise nach „Polska“ verhältnismäßig zügig gehen müsste. Diese Hoffnung erweist sich schnell als große Illusion – eine lange Schlange taucht auf. Und die Angelegenheit gestaltet sich ausgesprochen zäh. Nach 2,5 Std. sind wir wieder in der EU.
Dennoch war der Ausflug nach Kaliningrad ein echtes Erlebnis – den Stadtverkehr zu erleben und mittendrin „mitzuschwimmen“, das ist wirklich eine ganz eigene Erfahrung. Den Höhepunkt bildete eine Art Engstelle mit Pflastersteinen (inklusive tieferer Löcher), Straßenbahnschienen (deren Spuren aber nur von Autos genutzt wurden) und einem Pannenfahrzeug in der Mitte des ganzen Infernos: Ein Gedrängel und Gehupe … und wer voran kommen möchte, sollte jeden freien Zentimeter vor sich sofort nutzen. Gegen diese Kaliningrad-Rush-hour war der Verkehr in St. Petersburg ein harmloser Kindergeburtstag. Das ist zwar nichts für jeden Tag – aber einmal kann man das schon mitmachen.
Das Ziel Polen haben wir erreicht, unklar ist ,wie weit wir heute noch fahren. Wir wollen nach Marienburg und dort die alte Burg sehen – wenigstens von außen. Und dann weiter nach Danzig. Von dort könnten wir vielleicht sogar am Samstag noch nach Hamburg fahren … aber das wird die Zeit morgen weisen. Priorität haben da die Bilder, die wir für unser Roadbook ausdrucken und einkleben müssen, um zu nachzuweisen, welche Aufgaben wir unterwegs geschafft haben. Bei der Gelegenheit werden wir Manches erinnern, das gefühlt schon Wochen zurück liegt, aber tatsächlich vergangene Woche passiert ist.
Wir haben viel gesehen und erlebt auf unserem Weg rund um die „Baltic Sea“.
Wir übernachten in Gdansk – und hoffen, dass wir hier morgen einen Laden finden, in dem wir problemlos unsere Fotos ausdrucken können – einen Klebestift findet sich in Bernds „office“-Mappe … das müsste demnach nicht allzu schwierig sein … und am Abend reden wir darüber, was wir mitnehmen – wo wollen wir vielleicht doch noch einmal hin (wenn u.U. auch auf anderem Weg!)!??
Viele Fragen. Und – zum Glück – einige Zeit dafür, um Antworten zu suchen und zu finden. Eilt ja nicht wirklich. – Aber falls doch: Irgendwann werden wir so oder so, mal wieder hier vorüber kommen ….
Für die Zielgerade bis nach Hamburg wünschen wir Euch alles Gute! Unglaublich, was Ihr alles erlebt und er-fahren habt…
Wenn man Eure interessanten Kommentare noch einmal Revue passieren lässt,kommt
man zwangsläufig zu dem Schluss, dass Ihr ein schönes und bleibendes Abenteuer erlebt habt. Ich gratuliere Euch, dass Ihr die lange Reise gesundheitlich gut überstanden habt und das Euer FRONTI mitgemacht hat.
Für den Rest der Strecke nun noch viel Spaß und Erfolg und ein glückliches Ankommen
in Hamburg. Wenn Ihr dort den Fronti abschaltet stehe ich in Stuttgart am Start zum Halbmarathon.
Axel
PS. Der GEA hat heute auch wieder einen interessanten Artikel über Euer Abenteuer veröffentlich.
Wünsche Euch auf den letzten Kilometern noch alles Gute!!!
Genießt sie, bald hat Euch der Alltag wieder.
War schön bei Eurem Abenteurer teilhaben zu dürfen.
Viel Spaß und Freud für morgen. 🙂
Dietmar